Die Logik der Vorentrückung
Die Logik der Vorentrückungslehre
Einführung
Die Lehre der
Vorentrückung geht geschichtlich vor allem auf J. N. Darby zurück und hat sich
über die Brüderbewegung weltweit als herrschende Ansicht zur Entrückung
durchgesetzt. Die Entrückung ist das Ereignis, wenn Jesus seine Gemeinde aus
noch Lebenden und Verstorbenen zu sich in die Ewigkeit hinweg von der Erde
nimmt. Für Jahrhunderte galt die Meinung, dass dieses Ereignis der Entrückung
mit der sichtbaren Wiederkunft Jesu einhergeht. Doch Darby und andere kamen zu
der Erkenntnis, dass diese Entrückung vor der großen Trübsal, den letzten 7
Jahren dieses Zeitalters geschehen muss. Zur Abgrenzung wurde diese Lehre daher
„Vor- Entrückung“ bezeichnet. Andere Ansichten werden entsprechend der zeitlichen
Zuordnung demnach als „Mitten-“ (in der Mitte der Trübsal) oder „Nach-
Entrückung“ (nach der Trübsal bei sichtbarer Wiederkunft Jesu) bezeichnet.
Letztlich ist der Kern der Unterschiede daher nicht die Art der Entrückung
sondern der Zeitpunkt dieses Ereignisses. In dem nun folgenden Beitrag soll die
Logik und die Möglichkeit für die Richtigkeit dieser Ansicht beleuchtet werden.
In der Bibel findet
man bezüglich der Entrückung 3 umfassende Stellenbereiche,
-
die Wiederkunftsreden Jesu (Mt. 24+25, Mk 13, Lk 17+21)
in den Evangelien
-
die Aussagen von Paulus (1. Kor. 15, 1+2. Thess.-Brief)
-
die Offenbarung
Da bei Stellen aus
den Evangelien oft eingewendet wird, dass diese zur Entrückung nichts aussagen,
weil hier nur die Juden, nicht aber die Gemeinde angesprochen wird, und die
Offenbarung ohnehin in der Auslegung sehr umstritten ist, möchte ich die
Diskussion auf einen zentralen Abschnitt im 2. Thess. Kapitel 2 also die Verse
1-9 beschränken. Der Vorteil dieser Stelle liegt darin, dass
-
hier unmissverständlich und ohne Einschränkung die
Gemeinde gemeint ist
-
die wichtigen Stellen zur Entrückung aus 1. Kor. 15 und
1. Thess. ebenfalls von Paulus geschrieben wurden, die Stellen sich also
gegenseitig ergänzen können
-
diese Textstelle die Wiederkunft Jesu, die Entrückung,
den Mensch der Sünde (= Antichrist) als einzige Stelle zusammen nennen und
somit hinsichtlich der Zeitfrage direkte Aussagen möglich sind
In dem nachfolgenden Text geht es nun darum, Vers für
Vers sich diesen Text genau anzusehen. Jeder Text ist verschieden zu
interpretieren und auszulegen. Jede Aussage ist in mehreren Möglichkeiten
denkbar. Das macht es so schwierig, ob in Gesprächen sich zu einigen. Daher ist
diese nachfolgende Betrachtung so aufgebaut, dass hier verschiedene Optionen
und Deutungen parallel mit betrachtet werden. Das ist sicherlich nicht ganz
einfach darzustellen und den Überlegungen zu folgen.
Es sind also aus der Aussage eines Textes z.B. 4
Deutungen/Optionen möglich. Der nächste Vers reduziert diese Optionen auf 2,
aber ergänzt wiederum andere Optionen. So sind dann mit Hilfe von logischem
Denken ein Schema und eine Aussage aus dem Text zu entwickeln, mit der sich
dann die Vieldeutigkeit letztlich klären lässt. Das ist sicherlich nicht ganz
vertraut und auch manchem anstrengend, jedoch ist diese Vorgehensweise etwas,
was man in vielen anderen Bereichen auch anwendet, um einen Text genau zu
verstehen (z.B. in der Auslegung juristischer Texte).
Um das Verständnis zu erleichtern sind eine Grafik und der
Bibeltext mit einzublenden. (siehe oben)
Der Abschnitt 2. Thess.-Brief Kapitel
2, V1-9
Betrachten wir also
den Abschnitt genauer. (Text nach Schlachter 1951)
2Thes 2,1 Wir bitten euch aber, Brüder, betreffs
der Wiederkunft unsres Herrn Jesus Christus und unsrer Vereinigung mit ihm:
2Thes 2,2 Lasset euch nicht so schnell aus der
Fassung bringen oder gar in Schrecken jagen, weder durch einen Geist, noch
durch eine Rede, noch durch einen angeblich von uns stammenden Brief, als wäre
der Tag des Herrn schon da.
2Thes 2,3 Niemand soll euch irreführen in
irgendeiner Weise, denn es muss unbedingt zuerst der Abfall kommen und der
Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens,
2Thes 2,4 geoffenbart werden, der Widersacher, der
sich über alles erhebt, was Gott oder Gegenstand der Verehrung heißt, so dass
er sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst als Gott erklärt.
2Thes 2,5 Denket ihr nicht mehr daran, dass ich
euch solches sagte, als ich noch bei euch war?
2Thes 2,6 Und nun wisset ihr ja, was noch aufhält, dass
er geoffenbart werde zu seiner Zeit.
2Thes 2,7 Denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit
ist schon an der Arbeit, nur Muss der, welcher jetzt aufhält, erst aus dem Wege
geschafft werden;
2Thes 2,8 und dann wird der Gesetzlose geoffenbart
werden, welchen der Herr Jesus durch den Geist seines Mundes aufreiben, und den
er durch die Erscheinung seiner Wiederkunft vernichten wird,
2Thes 2,9 ihn, dessen Auftreten nach der Wirkung
des Satans erfolgt, unter Entfaltung aller betrügerischen Kräfte, Zeichen und
Wunder
Vers
1:
2Thes 2,1 Wir bitten euch
aber, Brüder, betreffs der Wiederkunft unsres Herrn Jesus Christus und unsrer
Vereinigung mit ihm:
Hier spricht Paulus
von der Wiederkunft Jesu und der unserer Versammlung mit Jesus. Letzteres ist
unzweideutig die Entrückung. Es wird aber nicht ausgesagt, ob diese Wiederkunft
und Entrückung nur als Ereignisse aufgezählt werden oder ob es sich hier um ein
zeitgleiches Ereignis handelt. Zudem ist nicht klar, ob diese Wiederkunft
Jesu verborgen und für die Welt unsichtbar erfolgt oder ob es ein weltweit
sichtbares Ereignis darstellt. Um diese verschiedenen Möglichkeiten
übersichtlich und verständlich zu machen, sollen diese Zusammenhänge in eine
Art Flussdiagramm in der Grafik dargestellt werden. Wir haben also entweder
eine für die Welt verborgene oder sichtbare Entrückung und zum anderen den
Umstand, dass die Wiederkunft Jesu und die Entrückung in zeitlich direktem
Zusammenhang stehen oder einfach nur ohne Verbindung aufgezählt sind.
In der Grafik
beginnt also bereits in V1 die Verzweigung der Auslegung in 4 Möglichkeiten:
1.1 V1 zählt Entrückung und verborgene Wiederkunft Jesu auf
ohne zeitlichen Zusammenhang
1.2 V1 zählt Entrückung und sichtbare Wiederkunft Jesu nur auf
ohne zeitlichen Zusammenhang
1.3 V1 sieht Entrückung und verborgene Wiederkunft Jesu als
ein Ereignis
1.4 V1 sieht Entrückung und weltweit sichtbare Wiederkunft
Jesu als ein Ereignis
Möglichkeit 1.1
scheidet aber sofort wieder aus, da die verborgene Wiederkunft Jesu nach
herrschender Lehre nur für die Entrückung der Gemeinde gelten kann und daher
die verborgene, stille Wiederkunft Jesu nicht von der Entrückung getrennt
werden kann. Diese Möglichkeit scheidet daher von vorne herein aus. Die rot eingetragenen
Punkte werden später behandelt.
Vers
2:
2Thes 2,2 Lasset euch nicht
so schnell aus der Fassung bringen oder gar in Schrecken jagen, weder durch
einen Geist, noch durch eine Rede, noch durch einen angeblich von uns
stammenden Brief, als wäre der Tag des Herrn schon da.
Dieser Vers gibt
weitere Bezüge frei. Paulus warnt vor Verführung durch gefälschte Briefe,
Botschaften usw. als wäre der Tag des Herrn schon da. Dieser „Tag des Herrn“
ist ein vieldiskutierter Begriff. In der einen Übersetzung steht „Tag des
Herrn“, eine andere nennt diesen Tag „Tag Christi“. Auch in den griechischen
Grundtexten sind hier die Aussagen nicht einhellig. Auch hier findet man beide
Bezeichnungen. Viele Ausleger sehen in dem „Tag des Herrn“ den
alttestamentarischen Gerichtstag. Dieser Tag ist der Tag, an dem Israel von den
fremden Völkern befreit wird und die Gottesherrschaft über Israel und der Welt
beginnt. Daher kann bei dieser Auslegung der „Tag des Herrn“ hier nur die
weltweit sichtbare Wiederkunft Jesu bedeuten, nicht aber die verborgende,
stille Wiederkunft Jesu.
Sollte aber mit
„Tag des Herrn“ unser Herr Jesus Christus gemeint sein, ist dieser Ausdruck
„Tag des Herrn“ (Jesu Christi) dasselbe wie der „Tag Christi“. Bezüglich diesem
Tag gibt auch das Wort klar Auskunft:
Phil 1,6 und weil ich davon
überzeugt bin, dass der, welcher in euch ein gutes Werk angefangen hat, es auch
vollenden wird bis auf den Tag Jesu Christi.
Phil 1,10 damit ihr zu prüfen
vermöget, worauf es ankommt, so dass ihr lauter und unanstößig seid auf den Tag
Jesu Christi,
Phil 2,16 indem ihr das Wort
des Lebens darbietet, mir zum Ruhm auf den Tag Christi, dass ich
nicht vergeblich gelaufen bin, noch vergeblich gearbeitet habe.
Da
dieser „Tag Christi“ mit unserer Vollendung zu tun hat, die Gemeinde als Summe
der Gläubigen in der Entrückung vollendet wird, kann dieser „Tag Christi“ als
der Tag angesehen werden, an dem Christus seine Gemeinde in der Entrückung
vollendet.
Wiederum
unklar ist aber, ob dieser Tag der Entrückung das sichtbare Wiederkommen Jesu
für die Welt oder die verborgene Wiederkunft für die Gemeinde darstellt. Folglich
handelt es sich daher bei diesem Tag des Herrn bzw. Tag Christi entweder um:
2.1 die sichtbare Wiederkunft Jesu für
alle Menschen auf dieser Erde (=altt. Gerichtstag, "Tag des Herrn")
2.2 die Wiederkunft Jesu zur Entrückung
(als verborgene Wiederkunft)
2.3 die Wiederkunft Jesu zur Entrückung
(als weltweit sichtbare Wiederkunft)
Es
ist wichtig, alle Möglichkeiten im Text klar durchzuspielen und erst später
diese Schlüsse mit anderen Stellen und Ansichten zu bewerten.
Wegen
der bereits in V1 gefundenen Bezüge ergeben sich folgende
Verbindungsmöglichkeiten von V1 zu V2:
Wer
in V1 die Entrückung und die weltweit sichtbare Wiederkunft Jesu trennt, kann
folglich in V2 den „Tag des Herrn“ als alttestamentarischen Gerichtstag sehen. Diese
Verbindung ist durch einen Pfeil sowie die Anordnung auf einer Linie
gekennzeichnet.
-
Kombination 1.2 => 2.1
Setzt
man an, dass in V1 von einer verborgenen Wiederkunft Jesu als Ereignis der
Entrückung die Rede ist, kann man hier beide Möglichkeiten in Betracht ziehen,
nämlich dass dieser Tag des Herrn völlig unabhängig vom Tag der Entrückung ist
bzw. dass dieser Tag der Tag Christi und damit der Tag der Entrückung ist.
-
Kombination
1.3 => 2.1
-
Kombination 1.3 => 2.2
Wer
in V1 die Entrückung als Ereignis bei der sichtbaren Wiederkunft Jesu sieht,
kann folglich nur zu nachfolgender Anordnung kommen
-
Kombination
1.4 => 2.3
Verse
3+4
2Thes 2,3 Niemand soll euch
irreführen in irgendeiner Weise, denn es muss unbedingt zuerst der Abfall
kommen und der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens,
2Thes 2,4 geoffenbart werden,
der Widersacher, der sich über alles erhebt, was Gott oder Gegenstand der
Verehrung heißt, so dass er sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst als
Gott erklärt.
Das
vielleicht markanteste Wort aus den Versen 3+4 ist das Wörtchen „zuerst“.
2Thes 2,3 Niemand soll euch
irreführen in irgendeiner Weise, denn es muss unbedingt zuerst der Abfall kommen und der Mensch der Sünde, der Sohn des
Verderbens,
Indem
Paulus die vorher genannten Verführungen hier zusammenfasst in „Niemand soll
euch irreführen“ ist das Nachfolgende analog V2 auf den Tag des Herrn /Tag
Christi bezogen. Bevor dieser genannte Tag eintreten kann, müssen unbedingt
vorher Dinge geschehen. Diese Dinge sind absolute Vorausbedingungen auf diesen
Tag und können nicht als bedingungslose Aufzählung oder Reihung ausgelegt
werden. Bevor also dieser Tag anbricht:
3.1
geschieht der Abfall
3.2
muss der Sohn des Verderbens offenbar werden
3.3
muss der Mensch der Sünde sich in den Tempel setzen und
als Gott ausgeben, sich über alles, was Gott oder Gottesdienst heißt überheben.
In
der Grafik ist diese Vorausbedingung entsprechend einzutragen und gilt für alle
3 vorgenannten Möglichkeiten (Punkt 2.1 bis 2.3)
Verse
5-7
2Thes 2,5 Denket ihr nicht
mehr daran, dass ich euch solches sagte, als ich noch bei euch war?
2Thes 2,6 Und nun wisset ihr
ja, was noch aufhält, dass er geoffenbart werde zu seiner Zeit.
2Thes 2,7 Denn das Geheimnis
der Gesetzlosigkeit ist schon an der Arbeit, nur muss der, welcher jetzt
aufhält, erst aus dem Wege geschafft werden;
Für
viele Ausleger steht fest, dass dieser „der“, der das Verderben aufhält, der
Heilige Geist und die Gemeinde ist. Daher wird singulär aus diesem Vers der
zwingende Beweis der Vorentrückung abgeleitet. Jedoch steht in diesem Vers
nichts über den Heiligen Geist. Es ist nur von einem unbekannten „Aufhalter“
die Rede, der aber an keiner Stelle genauer erläutert oder beschrieben wird. Da
Spekulationen nicht dem rechten biblischen Umgang entsprechen, können diese
Verse zur Frage des Zeitpunkts und der Bezüge wenig beitragen und werden daher
hier nicht näher behandelt.
Vers
8
2Thes 2,8 und dann wird der
Gesetzlose geoffenbart werden, welchen der Herr Jesus durch den Geist seines
Mundes aufreiben, und den er durch die Erscheinung seiner Wiederkunft vernichten
wird,
In
diesem Vers werden 3 Dinge genannt:
-
die Erscheinung der Wiederkunft Jesu
-
die Offenbarung des Gesetzlosen (=Antichristen)
-
die Vernichtung des Gesetzlosen durch die Erscheinung der
Wiederkunft Jesu
Ist
nun die Wiederkunft Jesu und die Erscheinung der Wiederkunft Jesu dasselbe oder
2 verschiedene Dinge? Hier hilft es, sich die anderen analogen Nennungen der
Bibel anzusehen:
2Kor 12,1 Es ist mir freilich
das Rühmen nichts nütze; doch will ich auf die Erscheinungen und
Offenbarungen des Herrn zu sprechen kommen.
Phil 2,8 und in seiner
äußern Erscheinung wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte und
gehorsam wurde bis zum Tod, ja bis zum Kreuzestod.
2Thes 2,8 und dann wird der
Gesetzlose geoffenbart werden, welchen der Herr Jesus durch den Geist seines
Mundes aufreiben, und den er durch die Erscheinung seiner Wiederkunft
vernichten wird,
1Tim 6,14 daß du das Gebot
unbefleckt und untadelig bewahrest bis zur Erscheinung unsres Herrn
Jesus Christus,
2Tim 1,10 jetzt aber
geoffenbart worden ist durch die Erscheinung unsres Retters Jesus
Christus, der dem Tode die Macht genommen, aber Leben und Unvergänglichkeit ans
Licht gebracht hat durch das Evangelium,
2Tim 4,1 Ich beschwöre dich
vor Gott und Christus Jesus, der Lebendige und Tote richten wird bei seiner Erscheinung
und bei seinem Reich:
2Tim 4,8 hinfort liegt für
mich die Krone der Gerechtigkeit bereit, welche mir der Herr, der gerechte
Richter, an jenem Tage zuerkennen wird, nicht aber mir allein, sondern auch
allen, die seine Erscheinung liebgewonnen haben.
Tit 2,13 in Erwartung der
seligen Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und
unsres Retters Jesus Christus,
Aus
diesen Versen leitet sich zwingend ab, die Erscheinung als Wiederkunft Jesu zu
sehen. Diese Wiederkunft muss die Wiederkunft zur Heimholung der Gemeinde sein,
da dieses Ereignis die Auferstehung der Gläubigen beinhaltet. Dies wird in den
Stellen in den Briefen an Timotheus und Titus eindeutig belegt. Folglich
verbindet V8 mit dem Begriff "Erscheinung" die Wiederkunft Jesu zur
Entrückung mit dem Ende des Gesetzlosen, gemeinhin auch Antichrist benannt.
Dennoch
könnte jemand es anders zu sehen versuchen und annehmen, dass die Erscheinung
der Wiederkunft Jesu etwas anders ist als die Wiederkunft Jesu in V1. Daher ist
auch diese Ansicht in den Kombinationen zu berücksichtigen auch wenn die
Parallelstellen diese Ansicht nicht unterstützen. Daher gibt es für jede
Ansicht 2.1 bis 2.3 durch diesen V8 nochmals einen Bezug auf die Art der
Wiederkunft Jesu.
8.1 Erscheinung Jesu = sichtbare Wiederkunft Jesu mit Entrückung
8.2 Erscheinung Jesu = sichtbare Wiederkunft Jesu ohne Entrückung
Somit
ist das Schema für diesen kurzen Textabschnitt fast fertig und es kann die
Auswertung und Bewertung durchgeführt werden.
Die Bewertung der Kombinationen
Zuerst
will ich die rot gekennzeichneten Einträge behandeln. Es ist das Schema jetzt
nur auf Grundlage der Möglichkeiten aufgestellt worden. Möglichkeit bedeutet
aber nicht, dass diese aus so gegeben sind. Behandeln wird daher diese Punkte
im Einzelnen:
Die
zeitliche Trennung von Entrückung und Wiederkunft Jesu
Die
zeitliche Trennung in V1 ist sprachlich möglich. Der Abschnitt steht aber in
direktem Zusammenhang mit der Stelle aus 1. Thess. 4,15ff. Dort heißt es:
1Thes 4,15 Denn das sagen wir euch in einem Worte des Herrn, dass wir, die wir leben und bis zur Wiederkunft des Herrn übrigbleiben, den Entschlafenen nicht zuvorkommen werden;
In
diesem Vers verbindet Paulus eindeutig die Wiederkunft Jesu mit dem Ereignis
der Entrückung. Für Paulus ist eine zeitliche Trennung nicht vorhanden. Das
Ereignis der Wiederkunft Jesu ist für ihn die Entrückung. Daher ist die
angenommene Trennung von Entrückung (wörtlich "unserer Vereinigung
mit ihm") und seiner Wiederkunft nicht haltbar. Sie steht im
direkten Widerspruch zur Stelle aus 1. Thess. 4,15. Daher ist bereits hier
festzustellen, dass die Variante 1.1 als auch die Variante 1.2 nicht möglich sind
und daher falsch.
Trennung
von "Erscheinung Jesu" von Entrückung
Diese
Trennung ist wie oben rein theoretischer Natur. Die oben aufgeführten Stellen
sprechen an mehreren Stellen immer von der Erscheinung Jesu im Zusammenhang mit
der Vollendung der Gläubigen:
1Tim 6,14 daß du das Gebot
unbefleckt und untadelig bewahrest bis zur Erscheinung unsres Herrn
Jesus Christus,
2Tim 4,1 Ich beschwöre dich
vor Gott und Christus Jesus, der Lebendige und Tote richten wird bei seiner Erscheinung
und bei seinem Reich:
Tit 2,13 in Erwartung der
seligen Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und
unsres Retters Jesus Christus,
Diese
Erscheinung Jesu ist auf die Gläubigen bezogen. Die Hoffnung der Gläubigen wird
belohnt, die Treue muss bis zuletzt gehalten werden. Dieser Gedanke der
Hoffnung wird auch im Abschnitt 1. Thess. 4,15 deutlich, wo auch auf die
Hoffnung der Auferstehung für die Toten hingewiesen wird. Die Erscheinung Jesu
bedeutet für die Gläubigen die Erfüllung der Hoffnung. Wenn nun diese
Erscheinung Jesu von der Entrückung getrennt wird, passt das nicht zu diesen
Stellen. Daher ist diese Variante 8.2 von den Bibelstellen her nicht haltbar
und nicht begründet.
Betrachten
wir daher mit diesen Kombinationen und Einsprüchen die einzelnen Verknüpfungen:
Kombination 1.2+2.1+8.2
Entsprechend
dieser Ansicht spricht Paulus in V1 von Wiederkunft Jesu und Entrückung als
getrennten Ereignissen, und ab V2 behandelt er nur den Tag des Herrn, der alttestamentarisch
als Gerichtstag gesehen wird. Bevor nun dieser Tag kommt, tritt der Antichrist
auf. Dieser wird am Gerichtstag, der Erscheinung der Wiederkunft des Herrn
Jesus vernichtet.
Nach
dieser Ansicht wäre es möglich, die Entrückung vor der Trübsal anzusetzen, weil
außer der Nennung in V1 keinerlei Bezug mehr zur Entrückung der Gemeinde
aufgebaut wird. Diese Kombination bringt aber etliches an Problemen:
1.
der Text aus 2. Thess. als auch alle anderen Stellen der
paulinischen Briefe geben keinen Anhaltspunkt auf 2 getrennte, voneinander
verschiedenen Wiederkünfte Jesu, dieses Wort erscheint nur im Einzahl. Daher
ist diese Aufteilung in 2 Ereignisse (verborgene und weltweit sichtbare
Wiederkunft Jesu) eine in den Text hineingelegte Annahme, die sich nicht aus
diesem Text erschließe und daher sehr kritisch beurteilt werden muss.
2.
in 1.Thess. 4,15 werden die Entrückung und die
Wiederkunft Jesu untrennbar zu einem Ereignis verbunden:
1Thes 4,15 Denn das sagen wir
euch in einem Worte des Herrn, dass wir, die wir leben und bis zur Wiederkunft
des Herrn übrigbleiben, den Entschlafenen nicht zuvorkommen werden;
Die
im Vers 1 gemachte zeitliche Trennung dieser 2 Ereignisse ist nicht vom Wort
sondern nur als theoretische Möglichkeit zu betrachten, die aber durch die
genannte Stelle eindeutig verneint wird. Die Wiederkunft Jesu und die
Entrückung sind zwingend ein Ereignis und nicht voneinander zu trennen. Von
daher ist jetzt schon die Argumentationslinie 1.2 nicht haltbar.
3.
Die „Erscheinung der Wiederkunft“ wird in den Briefen an
Titus und Timotheus eindeutig als Wiederkunft Jesu zur Vollendung und daher
Entrückung der Gemeinde bezeichnet. Wenn diese „Erscheinung der Wiederkunft“
die Entrückung und gleichzeitig aus V8 das Ende des Antichristen bildet, ist eine
Vorentrückung praktisch unmöglich.
Kombination 1.3+2.1+8.2
Diese
Kombination unterscheidet sich von der vorherigen nur darin, dass hier die
Aussage aus V1 als zeitlich ein Ereignis gesehen wird. Nach dieser Ansicht
redet Paulus in V1 von der Entrückung und stillen Wiederkunft Jesu als einem
Ereignis, in V2 bis V8 spricht er aber von einem völlig anderen Ereignis, der
sichtbaren Wiederkunft Jesu zum Gericht. Es wird also auch hier der Begriff
„Wiederkunft“ in V1 mit völlig anderem Inhalt als in V8 gefüllt. Dies ist weder
aus dem Text herauszulesen noch im Sinnzusammenhang des Abschnitts abzuleiten. Der
Abschnitt dieses Briefes ist von Paulus durch den Satz: „betreffs
der Wiederkunft unsres Herrn Jesus Christus und unsrer Vereinigung mit
ihm" mit dem Thema Entrückung und Wiederkunft Jesu
überschreiben. Gleich der Stelle aus 1. Thess. 4,15 ist diese Wiederkunft die
Wiederkunft zur Entrückung der Gemeinde. Es würde daher völlig am Text
vorbeigehen, nur diesen 1. Vers auf die Entrückung und Wiederkunft Jesu zur
Entrückung auszulegen, ab V2 aber nur von dem Gerichtstag bei der sichtbaren
Wiederkunft Jesu zu reden. Man beachte in diesem Zusammenhang auch die Aussagen
aus dem 1. Kapitel des 2. Thess.-Briefes. Daher ist diese Kombination ebenso
unhaltbar.
Restliche Kombinationen
Sobald
statt dem Tag des Herrn entsprechend den verschiedenen Grundtextvarianten „Tag
Christi“ gelesen wird (dies ist der Tag der Wiederkunft Jesu zur Entrückung),
kommt man zwangsläufig dazu, die Wiederkunft Jesu zur Entrückung und die
Vernichtung des Antichristen als ein Ereignis zu sehen. Andere Kombinationen
(z.B. 8.2 mit 2.2) scheiden aus, da wegen dem „zuerst“ aus V3 immer die
Vernichtung des Antichristen diesem Ereignis vorausgehen muss und somit eine Vorentrückung
unmöglich wird.
Ergebnis
Betrachtet
man allein die Argumentationsauswertung ist es offensichtlich, dass rein
statistisch die Richtigkeit der Vorentrückungslehre bei max. 25% liegt, da aus
4 bis zum Ende durchstrukturierten Ketten nur eine die Vorentrückungslehre
zulässt. Beachtet man aber, dass gerade hier direkte Widersprüche und
Auslegungsprobleme zu anderen Stellen vorliegen (die allesamt von Paulus
stammen und teils direkt im Kontext der Entrückungsfrage liegen), ist die
wirkliche Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Vorentrückungslehre aus
diesem Text gleich Null.
Würde
man keine Ahnung von einer stillen Wiederkunft Jesu haben (die so an keiner
Stelle der Bibel beschrieben ist, die Stellen im 1. Kor.15 und 1. Thess. lassen
eher auf laute Umstände schließen) würde man gedanklich nicht einmal die
Variante 1.2 und 8.2 konstruieren. Betreffs der Frage der „Logik der
Vorentrückungslehre“ ist das Ergebnis ernüchternd:
Der
Abschnitt aus 2. Thess. 2,1-8 lässt eine Vorentrückung nur durch die Hinzunahme
von externen Ansichten zu, rein nach logischen Folgerungen verneint er aber die
Vorentrückungslehre entschieden. Allein diese Stelle für sich verneint jeden
Gedanken an eine stille Entrückung und später folgenden Wiederkunft Jesu zur
Vernichtung des Antichristen.
Viele
mögen hier einwenden, dass dies doch nur eine Stelle sei, man aber doch noch
diesen und jenen Punkt und Aspekt zu bedenken habe. Man muss aber klar vor
Augen haben, dass außer dieser Stelle keine andere Bibelstelle die Ereignisse:
Wiederkunft
Jesu - Tag Christi/Tag des Herrn - Ende des Antichristen
so
verbindet und zeitlich in Zusammenhang setzt wie diese Stelle. Bei allen
anderen Stellen (vor allem aus der Offenbarung) sind zumeist nur ein Ereignis
genannt, die Angaben mehrdeutig und teils unklar.
Anmerkung:
Es
ist erstaunlich, dass Darby (als Begründer dieser Lehre) doch für seine
Bibelübersetzungen die vielen, unterschiedlichen Textquellen hatte und kannte,
jedoch nicht an einer Stelle auf diese Besonderheit im Grundtext hinweist.
Nirgends erwähnt er, dass die Hauptstelle für seine Auslegung „Tag des
Herrn" aus 2. Thess. 2 vielfach mit „Tag Christi" im Grundtext steht.
Man kann seine Kommentare zum 2. Thess. lesen und findet dort kein Wort
darüber. An anderer Stelle wird jedes Wort schwer gewichtet und in diesem Punkt
so ungenau gehandhabt, wo es doch um eine der zentralen, neuen Lehren von Darby
hier geht. Ebenso dürftig wie Darby mit dem Abschnitt 2. Thess. umgeht, findet
sich dies auch bei den vielen anderen Autoren zu diesem Thema. Eine wirkliche
Analyse und ein Durcharbeiten der Möglichkeiten sind nirgends zu finden.